Hat der Steuerpflichtige im amtlichen Einkommensteuervordruck der Anlage N 2012 und der Anlage N 2013 die Verpflegungsmehraufwendungen falsch eingetragen, wodurch die Minderung der Werbungskosten um die ebenfalls falsch eingetragenen steuerfreien Arbeitgeberleistungen unterblieb, so spricht der Umstand, dass der Fehler vom Finanzamt trotz Prüfhinweis zunächst unbemerkt blieb und auch nicht sofort und eindeutig lokalisiert werden konnte, nicht gegen das Vorliegen einer offenbaren Unrichtigkeit.
Der Kläger hatte in den Streitjahren 2012 und 2013 unter anderem nichtselbständige Einkünfte als Busfahrer. Hierfür machte er durch Auswärtstätigkeiten entstandene Verpflegungsmehraufwendungen von 2.424 Euro (2012) und 3.652 Euro (2013) als Werbungskosten geltend. Vom Arbeitgeber hatte er steuerfreie Verpflegungszuschüsse von 1.751 Euro (2012) und 2.426 Euro (2013) erhalten, die dem beklagten Finanzamt (FA) vom Arbeitgeber in elektronischer Form mitgeteilt worden waren. Der Bevollmächtigte des Klägers übermittelte die Erklärungen zur Einkommensteuer (ESt) in elektronischer und ausgedruckter Form. Die Verpflegungsmehraufwendungen erklärte er aber nicht in den dafür vorgesehenen Zeilen 52 bis 55 der Anlagen N, sondern fügte seinen Erklärungen gesondert erstellte Übersichten bei. Die darin errechneten Gesamtsummen der Verpflegungsmehraufwendungen von 2.424 Euro und 3.652 Euro trug er ebenfalls nicht in die dafür vorgesehene Zeile 55 (Kennziffer 480), sondern in die für „Fahrt und Übernachtungskosten, Reisenebenkosten …“ vorgesehene Zeile 50 (Kennziffer 410) ein. Die vom Arbeitgeber steuerfrei ersetzten Beträge trug er nicht in die Zeile 51 (Kennziffer 420), sondern in Zeile 56 (Kennziffer 490) ein. Die nicht verwendeten Zeilen 51 bis 55 samt Kennziffern 420 und 480 wurden vom damaligen Programm unterdrückt. Der Sachbearbeiter des FA hakte in beiden Streitjahren die in den Kennziffern 490 eingetragenen steuerfreien Verpflegungszuschüsse von 1.751 bzw. 2.426 Euro ab. Die Verwendung der falschen Kennziffer für die geltend gemachten Werbungskosten bemerkte der Sachbearbeiter trotz eines programmtechnischen Prüfhinweises nicht. In den ESt-Bescheiden 2012 und 2013 wurden deshalb die Verpflegungsmehraufwendungen zunächst in voller Höhe – ohne Minderung um die steuerfrei ersetzten Beträge – als Werbungskosten berücksichtigt.
Aufgrund von Mitteilungen über gesondert festgestellte Einkünfte des Klägers änderte das FA die Einkommensteuer 2012 und 2013 zulasten des Klägers ab. Zwischenzeitlich war das EDV-Programm des FA bereits derart geändert worden, dass zunächst die in den Kennziffern 410 und 480 geltend gemachten Werbungskosten addiert und davon sowohl die in Kennziffer 420 als auch die in Kennziffer 490 eingetragenen Werte abgezogen wurden. Aufgrund dessen wurden nunmehr auch die nach wie vor gespeicherten Werte der Kennziffern 410 und 490 vom Programm in der Weise verarbeitet, dass die Werbungskosten jeweils um die Arbeitgeberzuschüsse gemindert und die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit entsprechend erhöht wurden.
Aus den Gründen:
Offenbare Unrichtigkeit bei fehlerhaften Eintragungen in Computerprogrammen
Die Klage gegen die nach § 129 AO geänderten Bescheide wies das Finanzgericht ab. Nach ständiger Rechtsprechung könnten insbesondere Fehler bei Eintragungen in Eingabewertbögen für die automatische Datenverarbeitung oder bei unmittelbaren Eingaben in Computerprogramme offenbare Unrichtigkeiten sein, etwa bei Irrtümern über den Ablauf des maschinellen Verfahrens, bei Verwendung falscher Schlüsselzahlen oder beim Übersehen notwendiger Eintragungen.
Der Eintrag von Verpflegungsmehraufwendungen in die Kennziffern für
Das sei hier der Fall. Der Kläger habe die Verpflegungsmehraufwendungen statt in die im amtlichen Formular dafür vorgesehene Kennziffer 480 falsch in die Kennziffer 410 eingetragen. Der Fehler sei offenbar, weil die Werbungskosten einerseits auf dem jeweiligen Beiblatt ausdrücklich als Verpflegungsmehraufwendungen bezeichnet waren und andererseits angesichts der Überschrift vor Zeile 52 „Pauschbeträge für Mehraufwendungen für Verpflegung“ kein Zweifel daran bestehen könne, dass sie deshalb in den nachfolgenden Zeilen einzutragen waren. Die Zeile 50 samt Kennziffer 410 sei ausdrücklich nur für „Fahrt- und Übernachtungskosten“ sowie „Reisenebenkosten“ vorgesehen gewesen. Was auch immer den steuerlich beratenen Kläger dazu bewogen habe, die Verpflegungsmehraufwendungen nicht in dem Feld für Verpflegungsmehraufwendungen einzutragen, rechtliche oder sachverhaltsbezogene Überlegungen, die zu dem Schluss geführt haben könnten, die fraglichen Aufwendungen seien keine Verpflegungsaufwendungen, seien es jedenfalls nicht gewesen. Nur solche rechtlichen oder tatsächlichen Überlegungen könnten aber einer Berichtigung nach § 129 Satz 1 AO entgegenstehen. Im Übrigen habe der Kläger eingeräumt, dass „der Aufwand … nicht richtig erfasst“ worden sei.
Offenbare Unrichtigkeit trotz programmtechnisch unklarer Fehlerursache
Aber selbst wenn kein mechanischer Fehler des Klägers vorliegen sollte, liege jedenfalls ein mechanisches Versehen des FA vor. Die Finanzbehörde habe die fehlerhaften Eintragungen als eigene übernommen. Der Umstand, dass der Fehler vom FA zunächst unbemerkt blieb und nach Erhebung des Einspruchs auch nicht sofort und eindeutig lokalisiert werden konnte, spreche nicht gegen das Vorliegen einer offenbaren Unrichtigkeit. Die Arbeitsweise des EDV-Programms müsse nicht offenbar sein, sondern könne – zur Erforschung der Ursache – Gegenstand von Untersuchungen sein. Entscheidend sei, dass nach Aktenlage für jeden unvoreingenommen Dritten klar gewesen sei, dass der Sachbearbeiter die Arbeitgeberzuschüsse berücksichtigen wollte, dies in den Bescheiden aber nicht umgesetzt wurde. Schließlich sei offensichtlich, dass der Fehler durch bloßes mechanisches Tun, nämlich entweder durch die Änderung der Programmierung, wie geschehen, oder aber, was jedenfalls entscheidend sei, durch bloße Änderung der verwendeten Kennziffern berichtigt werden konnte. Jedenfalls zu der letztgenannten Korrektur bedürfe es keiner tatsächlichen oder rechtlichen Erwägungen, sondern die Verpflegungsmehraufwendungen müssten schlicht in das dafür ausdrücklich vorgesehene Feld eingetragen werden.
Offenbare Unrichtigkeit trotz Prüfhinweis
Etwas Anderes ergebe sich nicht aufgrund der ergangenen Prüfhinweise. Das Übersehen eines Prüfhinweises oder eine besonders oberflächliche Behandlung des Steuerfalls durch die Behörde schließe unabhängig von Verschuldenserwägungen eine Berichtigung des Steuerbescheids nicht aus, solange die diesbezügliche Überprüfung nicht zu einer neuen Willensbildung des zuständigen Veranlagungsbeamten im Tatsachen- oder Rechtsbereich geführt habe. Bleibe ein Prüfhinweis unbeachtet, perpetuiere sich lediglich der Eingabefehler des Sachbearbeiters. Eine neue Willensbildung des Sachbearbeiters im Tatsachen- oder Rechtsbereich sei vorliegend nicht ersichtlich. Zwar hatte das Programm darauf hingewiesen, dass der steuerfreie Arbeitgeberzuschuss den zugehörigen Aufwand übersteige. Angesichts der nur in komprimierter Form vorliegenden Anlagen N (zudem mit vom amtlichen Formular abweichenden Überschriften) und ohne Kenntnis der zwingenden Zuordnung der Kennzahlenpaare 410/420 und 480/490 durch das EDV-Programm sei der Prüfhinweis für den Sachbearbeiter offenbar aber nicht verständlich gewesen (was ex ante durchaus nachvollziehbar sei).
(FG Baden-Württemberg, Mitteilung vom 23.01.2020 zu Urteil vom 14.12.2016 – 4 K 1870/16)
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